Foto: Dirk Bader

„Altern zu dürfen ist ein Privileg“

Schauspielerin Marie Burchard im Gespräch mit VIVA MONACO

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Hallo Frau Burchard, wie geht es Ihnen?
Mir geht es sehr gut! Wir waren ja gerade auf Kinotour, mit „Jagdsaison“ und jetzt bin ich wieder zurück in Berlin, die Schule geht wieder los, der Alltag mit den Kindern. Ich bin also wieder zurück im wahren Leben.

Wie war die Kinotour mit „Jagdsaison“?
Die hat wahnsinnig Spaß gemacht! Vor allem, weil wir (Das Filmteam) uns untereinander alle sehr mögen, sehr gerne Zeit miteinander verbringen und zusammenarbeiten. Und es ist natürlich toll, gemeinsam die Reaktionen des Publikums in verschiedenen Städten zu erleben und zu sehen, wie die Leute den Film feiern! Wir hoffen, dass viele ins Kino rennen, jetzt wo der Sommer fast vorbei ist. Ich kann nur sagen: Leute, geht ins Kino!

Dieses Jahr steht ein runder Geburtstag an. Panik? Wie feiern Sie?
Ich fühle mich sehr gut damit, ich habe kein Problem mit dem älter werden. Ich finde, überhaupt altern zu dürfen ist ein Privileg und ich verstehe nicht, wieso das in unserer Kultur nach wie vor ein Tabu ist, vor allem bei Frauen. Dieses riesige Tamtam, dass man Schauspielerinnen und auch Frauen generell nicht nach ihrem Alter fragen darf, habe ich nie verstanden. Ich bin glücklich, dieses Alter zu erreichen, ich will auch nicht meine Jugend zurück und ich finde, das Thema gehört endlich enttabuisiert. Es ist der 40. Geburtstag, viele denken ja, es wäre der 30. (lacht) und ich werde ihn nicht alleine heimlich im stillen Kämmerlein feiern, ich will mit vielen Gästen tanzen und essen, gelöste Stimmung… einfach eine richtige Party! Und zwar nicht bei mir zu Hause, ich lagere das aus. Ich habe keinen Bock, mir Arbeit zu machen, es geht ja um Spaß. Wenn ich keine Lust mehr habe, will ich einfach besoffen ins Bett fallen können, ohne mich um etwas kümmern zu müssen!

Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag durch Streamingdienste verändert? Bekommen Sie mehr Anfragen für Kinofilme oder von Anbietern wie Netflix und Co?
Bei mir hat sich eher alles in Richtung Kino entwickelt, warum kann ich gar nicht sagen. Mich beeinflussen Streaming-Dienste eher privat, insofern, als die Auswahl heutzutage unfassbar groß ist. Wenn man zu Hause sitzt und sagt: „Ich will jetzt etwas gucken“, dann finde ich das fast anstrengend und überfordernd. Vor allem, wenn man zu zweit, gemeinsam mit seinem Mann versucht etwas auszusuchen, wird es fast unmöglich. Das ist zwar ein totales Luxusproblem, aber häufig wirkt sich diese Überforderung so aus, dass ich am Ende sage: „Okay, dann guck ich lieber gar nichts, dann nehme ich halt mal ein Buch in die Hand!“ Früher hatte man ein paar Videokassetten und später DVDs. Wir waren damals fünf Kinder, das heißt, wenn wir etwas schauen wollten, mussten wir uns auf etwas einigen. Dann hat sich ein Kind für „König der Löwen“ entschieden oder einen anderen Film, den man natürlich schon 20000 Mal gesehen hatte und mitsprechen konnte. Aber irgendwie wusste man Filme auf diese Art ganz besonders zu schätzen, wahrscheinlich weil man nur eine kleine Auswahl verfügbar hatte.

Was hat sie am Filmprojekt „Jagdsaison“ gereizt?
Ich kannte Aron Lehmann und Rosalie Thomass bereits privat und fand die Möglichkeit toll, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Dann habe ich das Drehbuch gelesen und war begeistert! Ich habe mich totgelacht und dachte nur: Krass, das wäre so cool, wenn das klappt! Das lag an den Rollen der Frauen im Film, man hat selten die Chance auf eine starke weibliche Hauptrolle. Häufig wirken Frauen „ergänzend“, man ist die „Mutter von“, „Chefin von“, „Ehefrau von“ oder „Tochter von“. Dass in „Jagdsaison“ ein Dreiergespann von Frauen porträtiert wird, mit allen Schwächen und Fehlern, die gemeinsam eine so spannende Ereigniskette durchleben dürfen, hat mich sehr gereizt. Vor allem, diese ganzen Extremsituationen spielen und zeigen zu dürfen, fand ich spannend! Ich freue mich sehr, dass das geklappt hat. Der Dreh hat dann irre Spaß gemacht, aber auch wenn es eine Komödie ist, ist es wichtig, die Arbeit ernst zu nehmen, ich kann nicht plötzlich anfangen zu lachen (lacht). Im besten Fall sollen die Zuschauer lachen und nicht man selbst. Im Theater sagt man: „Wenn der Schweiß auf der Bühne ist, aber nicht unten, dann hat die Show nichts davon.“ Trotzdem hat es super viel Spaß gemacht, weil wir alle einfach eine tolle zwischenmenschliche Chemie hatten. Mittlerweile haben wir uns angefreundet und das ist natürlich sehr schön. Wir halten Kontakt, haben eine Whatsapp Gruppe und halten uns auf dem Laufenden. Was dann auch noch mal sehr schön und aufregend war, war den fertigen Film zum ersten Mal zu sehen! Vor allem bei Herzensprojekten wie „Jagdsaison“, die man so sehr liebt, hat man die Hoffnung, dass es wirklich so gut geworden ist, wie man sich das wünscht. Das ist natürlich total aufregend. Ich muss aber sagen, ich kann mich selber nicht gut beim Schauspielern sehen, denn ich bin sehr kritisch. Auch wenn irgendwas im Fernsehen läuft und ich spiele mit, dann muss ich das nicht unbedingt ansehen. Bei „Jagdsaison“ war die Team-Premiere aber total gemütlich, es war wunderschön zwischen Almila Bagriacik und Rosalie Thomass zu sitzen und das gemeinsam zu erleben, wir haben uns wahnsinnig gefreut.

Im Film geht es um Freundschaft. Was bedeutet das für Sie?
Ich habe ein paar sehr gute Freunde und viele gute Bekannte. Aber meine aller engste Freundin habe ich, seit ich eineinhalb Jahre alt bin. Das ist irre, sie ist in Brasilien geboren und in Frankreich mit mir aufgewachsen. Jetzt lebt sie in Irland, aber wenn ich meine beste und älteste Freundin dann wieder sehe, ist es so, als hätte man sich gestern erst verabschiedet, alles wie immer. Das macht Freundschaft aus, finde ich. Ich bin aber leider nicht allzu gut darin, Freundschaften zu pflegen, ich muss zugeben, ich vergesse zum Beispiel ziemlich oft Geburtstage und ich bin selbst überhaupt nicht böse, wenn jemand meinen vergisst. Da finde ich andere Dinge in einer Freundschaft wichtiger. Meine sehr engen Freunde kennen mich aber und sehen mir das nach. Wie gesagt, ich habe vier Schwestern und einen Bruder, insofern bin ich glücklicherweise mit Freunden familiär verbunden. Sie sind mir super wichtig, ich bin sehr eng mit meinen Geschwistern und das ist ein riesiges Glück.

Welche Rolle spielt das Theater in Ihrem Leben? Konkrete Pläne für 2023?
Bedauerlicherweise sind die Arbeitszeiten und die vielen Reisen sehr schwer für mich vereinbar mit allem anderen, deshalb ist Theater Luxus. Aber ich vermisse es sehr und ganz aufgeben will ich es nicht. Ich will unbedingt wieder auf die Bühne, ich brauche das richtig körperlich (lacht) und ich freue mich irrsinnig darauf, wenn es wieder so weit ist, ich hoffe, das hinzukriegen. Es ist einfach eine andere Art zu arbeiten, die lange Probenzeit über sechs Wochen, während der man ein Stück komplett entwickeln kann und alles bis ins kleinste Detail probt: Das hat man beim Film selten bis nie. Außerdem dreht man nicht chronologisch, im schlimmsten Fall dreht man das letzte Bild zuerst, das hatte ich schon ein paar Mal. Was auch toll ist am Theater ist der Vorstellungsabend, wo man mit Kollegen zusammen diesen Ritt hat und das mit Zuschauern, die unmittelbar reagieren. Die sind jeden Abend anders und man spielt auch jeden Abend anders. Dieses Live-Gefühl ist einfach ein ganz anderer Adrenalinkick. Und es muss natürlich alles auf Anhieb klappen, nicht wie bei einem Film, wo man eine Szene einfach nochmal drehen kann. Was passiert dann, wenn etwas schiefläuft auf der Bühne? Das ist das Tolle daran, wenn etwas nicht funktioniert, passieren manchmal die wunderbarsten Sachen und manchmal auch die schlimmsten. Man muss die Souffleuse oder den Souffleur fragen oder eben improvisieren. Aus solchen Fehlern sind schon sehr schöne Abende entstanden, die man nicht vergisst. Das ist wirklich besonders. Aktuell gibt es Gespräche mit zwei Schauspielhäusern in Berlin, aber es gibt nichts Konkretes zu berichten und verraten darf ich natürlich auch nichts, bevor etwas spruchreif ist.

Was halten Sie von der heutigen „Tinder Party“ Dating Kultur?
Ich finde das total okay, heutzutage wird schließlich alles über Apps geregelt, warum nicht auch das Liebesleben. Vor allem zur Zeit des Lockdowns fand ich Dating-Apps ein super Tool für Singles, eine Freundin von mir hat zu dieser Zeit ihren Lebensgefährten über eine App kennengelernt. Also: Warum nicht? Ich finde das super spannend! Zu meiner Single-Zeit gab es so etwas glaube ich noch nicht, ich habe meinen Mann im Schauspielstudium kennengelernt, ganz klassisch. Aber selbst wenn ich jetzt Single wäre, weiß ich nicht, ob ich diese Apps nutzen würde, ich habe da irgendwie Respekt davor. Ich bin da eher analog gestrickt und würde nach Möglichkeiten suchen, live jemanden zu treffen. Obwohl ich mir so eine App mal bei meiner Freundin angesehen habe und es mir sehr lustig vorstelle, den Abend damit zu verbringen zu gucken, was es für Möglichkeiten gibt.

Dann hat sich die Frage, ob Sie vor Ihrer Ehe mal Dating-Apps genutzt haben, wohl erübrigt!
Ich bin mir wie gesagt gar nicht sicher, ob es so etwas damals schon gab und ich bin generell erst sehr spät zu einem Smartphone gekommen. Auch bei Social Media war ich nie aktiv, bis irgendwann meine Presseagentin sagte, es wäre eine gute Idee, mit Instagram anzufangen. Naja, also analoges Daten ist eher mein Ding.

Wie halten Sie Ihre Ehe am Leben?
Wir haben ein Motto, das wir auch gut umsetzen: Zeit ohne einander ist wichtig. Einfach mal ohne Partner wegfahren, um dann wieder gerne nach Hause zu kommen. Das klingt jetzt, als wären wir total abgefuckt. Im Grunde ist es aber so, dass es einfach wichtig ist, sich immer wieder bewusst zu machen, was man aneinander hat und wieso man zusammen ist. Und wenn wir Zeit zusammen verbringen, genießen wir die, ob daheim oder bei der Arbeit. Hier noch ein alter Hut, den man aber leider zu selten umsetzt: Wenn man Kinder hat, ist es wichtig, auch zu zweit etwas zu unternehmen ohne die Kinder und das regelmäßig. Und wenn es Kino, essen gehen oder auch nur ein Spaziergang ist. So bewahrt man seine Identität als Paar und ist nicht nur Mama und Papa. Ich gebe zu, es fällt uns oft schwer, das umzusetzen(lacht). Es ist aber total wichtig!

In „Peng“, „Stück Plastik“ und „Italienische Nacht“ haben Sie mit Ihrem Mann zusammen gearbeitet. Wie ist das?
Es macht wahnsinnig viel Spaß, mit Sebastian zu arbeiten und ich würde das auch super gerne noch öfter tun. Erstaunlicherweise funktioniert das sehr gut, viele Regisseure waren positiv überrascht, weil sie sich zunächst sorgten, mit einem Paar zu drehen. Es ist auch nicht so, dass wir die Arbeit mit nach Hause nehmen. Zu sagen: „Jetzt ist Feierabend!“, ist wichtig.

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