Constanza Camila Kramer Garfias

Stoff für Spirituelles

Was die Münchner Künstlerin Constanza Camila Kramer Garfias vom Andenvolk der Mapuche lernt – und wie sie ihre textilen Kreationen auf die Opernbühne bringt

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Frau Kramer Garfias, Sie machen
Kunst aus Stoff und greifen statt zu Pinsel und Farbe zu Nadel und Faden. Was reizt sie daran?

Genauer gesagt arbeite ich mit Webstuhl und Garn. Ich habe eigene Webstühle im Atelier stehen, produziere aber auch an industriellen Web-Maschinen oder benutze eine handliche Tufting-Pistole.

Eine Garnpistole, mit der man Teppiche herstellt…

Fasziniert hat mich schon immer alles, was mit Textilem zu hat. Die Geschichte von Textilien ist fast so alt wie die des Menschen. Stoffe muss es bereits in der Steinzeit gegeben haben. Textiles hat sich seitdem in viele Richtungen weiterentwickelt. Das bringt einen unglaublichen Reichtum an handwerklichen Techniken und kulturellem Erbe mit sich. Es gibt den Aspekt der Community-Arbeit und natürlich die technologischen Entwicklungen seit der Industrialisierung bis zum Computer. Ich liebe es, hier immer wieder neue Facetten zu entdecken. 

Textilkunst wurde lange als Frauenkunst abgetan – in den Wiener Werkstätten vor rund 100 Jahren war das „Weiberkunstgewerbe“ verschrien, und am deutschen Bauhaus wurden Frauen in die Weberei verbannt. Waren die Frauen ihrer Zeit voraus? 

Sie haben damals das Beste aus ihrer Situation gemacht. Für mich gehört die Textilkunst zu keinem Geschlecht, es ist eine eigene Kunstgattung wie die Malerei. Die Frauen in den Wiener Werkstätten und am Bauhaus haben herausragende Werke geschaffen. Und obwohl sie damals weniger Anerkennung erhielten, haben sie trotzdem weitergemacht. Das finde ich bewundernswert. 

Anni Albers, die Frau von Bauhaus-Lehrer Josef Albers, hat das Weben am Bauhaus zu einer eigenen Kunstform gemacht. Wer sind Ihre Vorbilder?

Es gibt so viele! Woran ich mich orientiert habe, sind die Webereien der Andenvölker in Südamerika, eine Kultur, die auch schon Anni Albers inspiriert hat. Das ist der Ursprung meines Interesses.

Sie sind in Chile geboren und aufgewachsen, wo das indigene Volk der Mapuche für seine farbintensiven Webmuster berühmt ist. Hat Sie diese Tradition inspiriert? 

Sicher. Ich fühle mich der Kultur der Mapuche sehr verbunden, das liegt auch daran, dass sie Textilien nicht nur als Gebrauchsgegenstände sehen, sondern als etwas Spirituelles begreifen. Ich gehe in Chile auf Spurensuche nach meinen eigenen Wurzeln. Durch Corona konnte ich lange nicht mehr dorthin reisen. Das ist jetzt wieder geplant.

Manche Künstler lassen lieber weben. Sie fertigen gern selbst. Warum lieben Sie das Handwerk?

Ich arbeite nicht nur mit der Hand, sondern auch mit Maschinen, ich schreibe zum Beispiel Dateien, die für mich an Webmaschinen umgesetzt werden. Beim Handwerk kann ich viel spontaner sein und intuitiv arbeiten, an der Maschine muss ich sehr viel mehr im Voraus planen – beide Arbeitsweisen sind mir wichtig und führen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Benutzen Sie einen Computer?

So wie ein Architekt das Programm CAD einsetzt, benutze ich entsprechende Software, mit der man Gewebekonstruktionen programmieren kann. Die Umsetzung ist anspruchsvoll, das erfordert fast schon Textilingenieurs-Wissen. Obwohl ich mich bereits seit Jahren damit beschäftige, probiere ich vieles immer noch nach der Trial-and-Error-Methode aus. 

Haben Sie ein Lieblingsmaterial?

Ich mag Oberflächen mit unterschiedlicher Materialität. Ein Gewebe, das schimmernd und nass aussieht, setze ich zum Beispiel gern in Kontrast zu stumpfem Material. So erzeuge ich auch haptische Effekte. 

Ihre Textilwunder waren auch schon auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper zu sehen, in der Mozart-Oper „Idomeneo“ wirkten Sie bei den Kostümen mit. Sind Sie ein Opern-Fan?

Ich liebe die Bayerische Staatsoper allein deswegen, weil sie seltene Handwerksberufe fördert und nutzt. Zur „Idomeneo“-Inszenierung vergangenen Sommer hat mich die Kostümbildnerin Victoria Behr eingeladen. Sie hatte Stoffe von mir gesehen. Ich durfte den Entwurf komplett ausarbeiten, gemeinsam haben wir dann entschieden. Es war spannend, in so einem kreativen Team zu arbeiten. Gerade bin ich mit einem Performance-Künstler im Gespräch, mit dem ich etwas erarbeiten will.

Fotos: Dirk Bader

Die Künstlerin Constanza Camila Kramer Garfias arbeitet mit Textilien, die sie selbst herstellt. Sie wurde 1988 in Chile geboren und wuchs in Europa und Chile auf. Sie studierte in Halle an der Kunst-hochschule Burg Giebichenstein Textile Künste. Sie lebt in München. Inspiration für ihre Werke findet sie in der uralten Webpraxis des Andenvolkes Mapuche, aber auch in neuesten Forschungen aus Genetik und Informatik.  Insta: @lifeishyperreal

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